Seit ihrer Eröffnung vor etwas über einem Jahr hat sich die Violett Kunstgalerie in der Wilhelmshöher Allee zu einer hochkarätigen Adresse in der Kasseler Kunstszene und darüber hinaus entwickelt, was nicht zuletzt an der Besitzerin, der Künstlerin Arya Atti liegt, die die Galerie mit viel Leidenschaft und Herzblut zu einem Ort der Begegnung mit Kunst und Künstlern gemacht hat und auch nicht vor schwierigen Themen bei der Wahl der passenden Ausstellungen und Präsentationen zurückschreckt. Als Kurdin in Syrien aufgewachsen, war die Jugend gezeichnet von Problemen, von Krieg. Bei all den Rückschlägen fand sie den Ausgleich in der Malerei und konnte Kunst studieren. Nach Flucht nach Deutschland fand sie später die neue Heimat in Nordhessen, so kann die Künstlerin bereits jetzt auf turbulente Jahre zurückblicken. Der Weg war nicht immer eben, aber fühlt sie sich in Kassel bereits zuhause? Ein Gespräch.

„Was ich mir als Künstlerin gewünscht habe, habe ich in Kassel gefunden. Hier habe ich die Möglichkeit bekommen, eine Galerie zu eröffnen, Kunst zu machen und Ausstellungen zu organisieren. Das Mädchen aus dem kleinen Dorf hatte einen Traum. Dieser Traum ist mehr als wahr geworden. Ich fühle mich in Kassel zuhause.“

Wie beschreibst du deine Malerei?

„Es sind Selbstportraits mit starken Farben. Ich mag den starken Kontrast, denn es trifft auch auf mich zu. Entweder schwarz oder weiß, die Mitte gibt es bei mir nicht. Ich benutze gerne Stoffe als Collage und greife auf unterschiedliche Materialien zurück, zum Beispiel Stoff auf Stoff, Spray, Acryl oder Öle. Ich fasse meine Bilder an und erfühle sie, denn es gibt weiche und harte Stellen. Wenn das Bild fertig ist, setze ich gerne Lacke ein, um Bereiche glänzend oder matt zu gestalten. Jede Linie, jede Collage und jedes Gefühl, das beim Anfassen entsteht, steht für eine Botschaft. Jeder kleinste Punkt in einem Bild hat eine Bedeutung. Ich möchte mit meiner Kunst etwas erzählen, eine Botschaft mit dem Betrachter teilen. Das ist mir wichtig. Das ist der Grund, warum ich male. Ich teile meine Gefühle, meine Geschichte, meine Situation.“

Ihr aktuelles Lieblingsbild hat Arya Atti für ihre Tochter gemalt. “Es ist ein helles Bild, es sollte eine Botschaft für meine Tochter sein. Ich, die starke Mutter, die gute Mama, von der sie immer gute Energie erwarten kann. Meine Tochter sollte die Welt durch meine Augen sehen, doch es hat sich ganz anders entwickelt. Am Ende war ich das Kind und sie die Mutter und ich habe die Welt durch ihre Augen gesehen. Über ihr schwebt der Vogel der Freiheit und der Zukunft, über mir der Rabe, die Vergangenheit, das Unglück.”

 

Im August 2021 wurde die Violett Kunstgalerie eröffnet. Seitdem ist viel geschehen. Im April gab es einen Einbruch, bei dem zehn Bilder durch Messerangriffe zerstört wurden. Wie geht eine Künstlerin damit um?

“Der Angriff hat mich zurückgeworfen. Jedoch versuche ich, etwas in meinem Leben zu ändern, damit ich nicht in dieser Phase bleibe. Ich schlafe, meine Gefühle schlafen. Ist es Angst? Ja. Ist es Einsamkeit? Auch das, denn ich vertraue seit dem Angriff niemandem mehr. Liebe war immer mein Antrieb, meine Energie. Ich habe Liebe gegeben und Liebe genommen. Das kann ich nicht mehr. Diese Traurigkeit, diese Einsamkeit und diese Angst machen mich so müde. Ich schlafe viel, um wieder Energie zu sammeln.

Ich versuche etwas zu ändern, eine neue Perspektive zu finden und einen neuen Ansatz für meine Kunst. Denn meine Bilder sind wie ein Spiegel meiner Seele. Ich kann nicht mehr über mich selbst malen und muss vielleicht etwas anderes finden, zum Beispiel das Glück oder die Liebe – auf jeden Fall ein positives Thema. Ganz anders als bei meinen bisherigen Bildern, die oft ein negatives Thema beinhalten, trotz der fröhlichen Farben. Bei dem Angriff wurden nicht nur ein paar Bilder zerstört, sondern auch etwas von mir selbst. Daher versuche ich etwas in meinem Leben zu ändern, damit ich etwas in meinen Bildern ändern kann.”

Wie versuchst du deinen neuen Ansatz zu entdecken, wie komplex ist die Selbstfindung in deine jetzigen Situation?

“Bei mir hängt es davon ab, wieviel ich mache. Wenn ich viel tue, vergesse ich und verbessere mich. Und vielleicht öffnet sich dadurch eine neue Tür. Wenn man als Flüchtling erfahren muss, dass alles zerstört wird, spürt man, dass man seine Heimat verlassen muss. Durch diese Erfahrungen fühle ich als Künstlerin ähnlich. Ich muss weg hier, ich muss vielleicht in eine andere Kunstrichtung flüchten oder ein anderes Publikum ansprechen.”

Also ist es eine Art Neuorientierung? Lässt sich Arya Atti neu erfinden?

„Ich fühle mich, als würde ich fliegen, bin schwerelos. Ich kann im Moment nichts entscheiden. Die gute Sache ist, ich weiß wo ich bin und was ich brauche und was ich tun und nicht tun sollte. Bei meiner Kunst habe ich immer meinen Gefühlen vertraut. Ich weiß also genau, was mir gut tut. Ich versuche, auf mich aufzupassen. Ich ernähre mich gesund und schlafe ausreichend, um Energie sammeln und bereit zu sein für die nächste Phase.”

Die letzte Ausstellung in der Violett Kunstgalerie war die der Integrated Art AG, eine Aktiengesellschaft, die sich über Kunst definiert, also eine Aktiengesellschaft als Gesamtkunstwerk. Wie bist du darauf aufmerksam geworden?

„Nach dem Angriff habe ich Joy (Lohmann) über Facebook kennengelernt. Er hat seine Solidarität bekundet und fragte mich, ob wir etwas zusammen in meiner Galerie machen könnten. Als Galeristin muss ich viele Künstler und viele Konzepte kennenlernen. Die Arbeit mit Joy war wunderbar, Auch die Resonanz war gut, es wurden 18 Aktien verkauft. Als Galeristin bin ich Kauffrau, aber als Künstlerin denke ich immateriell. Ich überrede die Besucher in meiner Galerie nicht, etwas zu kaufen. Ich dachte anfangs, ich könnte als Galeristin von dem Konzept lernen. Jedoch habe ich nur gelernt, dass ich nicht dazu passe. Als Künstlerin kann ich das Konzept nicht akzeptieren. Da es ein documenta-Projekt war, war es gut für mich, meine Galerie und meinen Namen. Bei der Performance mit Joy (Floating Futures: Flussperfomance auf der Fulda) konnte ich selbst viel lernen. Es ist mir wichtig, dass ich mich selbst bei jeder Ausstellung weiterentwickle, denn ich lerne immer noch. Ich male seit 14 Jahren und jedes Bild ist ein Neuexperiment für mich.“

Kommen während der documenta viele Besucher in deine Galerie?

„Es kommen weitaus weniger Menschen als vorher. Die kleinen Galerien leiden. Das Kulturamt sollte die privaten Galerien mehr fördern.“

Die Violett Kunstgalerie befindet sich in der Wilhelmshöher Allee 63. Neben der Präsentation von Arya Attis eigenen Werken finden hier regelmäßig Ausstellungen statt.

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Seit ihrer Eröffnung vor etwas über einem Jahr hat sich die Violett Kunstgalerie in der Wilhelmshöher Allee zu einer hochkarätigen Adresse in der Kasseler Kunstszene und darüber hinaus entwickelt, was nicht zuletzt an der Besitzerin, der Künstlerin Arya Atti liegt, die die Galerie mit viel Leidenschaft und Herzblut zu einem Ort der Begegnung mit Kunst und Künstlern gemacht hat und auch nicht vor schwierigen Themen bei der Wahl der passenden Ausstellungen und Präsentationen zurückschreckt. Als Kurdin in Syrien aufgewachsen, war die Jugend gezeichnet von Problemen, von Krieg. Bei all den Rückschlägen fand sie den Ausgleich in der Malerei und konnte Kunst studieren. Nach Flucht nach Deutschland fand sie später die neue Heimat in Nordhessen, so kann die Künstlerin bereits jetzt auf turbulente Jahre zurückblicken. Der Weg war nicht immer eben, aber fühlt sie sich in Kassel bereits zuhause? Ein Gespräch.

„Was ich mir als Künstlerin gewünscht habe, habe ich in Kassel gefunden. Hier habe ich die Möglichkeit bekommen, eine Galerie zu eröffnen, Kunst zu machen und Ausstellungen zu organisieren. Das Mädchen aus dem kleinen Dorf hatte einen Traum. Dieser Traum ist mehr als wahr geworden. Ich fühle mich in Kassel zuhause.“

Wie beschreibst du deine Malerei?

„Es sind Selbstportraits mit starken Farben. Ich mag den starken Kontrast, denn es trifft auch auf mich zu. Entweder schwarz oder weiß, die Mitte gibt es bei mir nicht. Ich benutze gerne Stoffe als Collage und greife auf unterschiedliche Materialien zurück, zum Beispiel Stoff auf Stoff, Spray, Acryl oder Öle. Ich fasse meine Bilder an und erfühle sie, denn es gibt weiche und harte Stellen. Wenn das Bild fertig ist, setze ich gerne Lacke ein, um Bereiche glänzend oder matt zu gestalten. Jede Linie, jede Collage und jedes Gefühl, das beim Anfassen entsteht, steht für eine Botschaft. Jeder kleinste Punkt in einem Bild hat eine Bedeutung. Ich möchte mit meiner Kunst etwas erzählen, eine Botschaft mit dem Betrachter teilen. Das ist mir wichtig. Das ist der Grund, warum ich male. Ich teile meine Gefühle, meine Geschichte, meine Situation.“

Ihr aktuelles Lieblingsbild hat Arya Atti für ihre Tochter gemalt. “Es ist ein helles Bild, es sollte eine Botschaft für meine Tochter sein. Ich, die starke Mutter, die gute Mama, von der sie immer gute Energie erwarten kann. Meine Tochter sollte die Welt durch meine Augen sehen, doch es hat sich ganz anders entwickelt. Am Ende war ich das Kind und sie die Mutter und ich habe die Welt durch ihre Augen gesehen. Über ihr schwebt der Vogel der Freiheit und der Zukunft, über mir der Rabe, die Vergangenheit, das Unglück.”

 

Im August 2021 wurde die Violett Kunstgalerie eröffnet. Seitdem ist viel geschehen. Im April gab es einen Einbruch, bei dem zehn Bilder durch Messerangriffe zerstört wurden. Wie geht eine Künstlerin damit um?

“Der Angriff hat mich zurückgeworfen. Jedoch versuche ich, etwas in meinem Leben zu ändern, damit ich nicht in dieser Phase bleibe. Ich schlafe, meine Gefühle schlafen. Ist es Angst? Ja. Ist es Einsamkeit? Auch das, denn ich vertraue seit dem Angriff niemandem mehr. Liebe war immer mein Antrieb, meine Energie. Ich habe Liebe gegeben und Liebe genommen. Das kann ich nicht mehr. Diese Traurigkeit, diese Einsamkeit und diese Angst machen mich so müde. Ich schlafe viel, um wieder Energie zu sammeln.

Ich versuche etwas zu ändern, eine neue Perspektive zu finden und einen neuen Ansatz für meine Kunst. Denn meine Bilder sind wie ein Spiegel meiner Seele. Ich kann nicht mehr über mich selbst malen und muss vielleicht etwas anderes finden, zum Beispiel das Glück oder die Liebe – auf jeden Fall ein positives Thema. Ganz anders als bei meinen bisherigen Bildern, die oft ein negatives Thema beinhalten, trotz der fröhlichen Farben. Bei dem Angriff wurden nicht nur ein paar Bilder zerstört, sondern auch etwas von mir selbst. Daher versuche ich etwas in meinem Leben zu ändern, damit ich etwas in meinen Bildern ändern kann.”

Wie versuchst du deinen neuen Ansatz zu entdecken, wie komplex ist die Selbstfindung in deine jetzigen Situation?

“Bei mir hängt es davon ab, wieviel ich mache. Wenn ich viel tue, vergesse ich und verbessere mich. Und vielleicht öffnet sich dadurch eine neue Tür. Wenn man als Flüchtling erfahren muss, dass alles zerstört wird, spürt man, dass man seine Heimat verlassen muss. Durch diese Erfahrungen fühle ich als Künstlerin ähnlich. Ich muss weg hier, ich muss vielleicht in eine andere Kunstrichtung flüchten oder ein anderes Publikum ansprechen.”

Also ist es eine Art Neuorientierung? Lässt sich Arya Atti neu erfinden?

„Ich fühle mich, als würde ich fliegen, bin schwerelos. Ich kann im Moment nichts entscheiden. Die gute Sache ist, ich weiß wo ich bin und was ich brauche und was ich tun und nicht tun sollte. Bei meiner Kunst habe ich immer meinen Gefühlen vertraut. Ich weiß also genau, was mir gut tut. Ich versuche, auf mich aufzupassen. Ich ernähre mich gesund und schlafe ausreichend, um Energie sammeln und bereit zu sein für die nächste Phase.”

Die letzte Ausstellung in der Violett Kunstgalerie war die der Integrated Art AG, eine Aktiengesellschaft, die sich über Kunst definiert, also eine Aktiengesellschaft als Gesamtkunstwerk. Wie bist du darauf aufmerksam geworden?

„Nach dem Angriff habe ich Joy (Lohmann) über Facebook kennengelernt. Er hat seine Solidarität bekundet und fragte mich, ob wir etwas zusammen in meiner Galerie machen könnten. Als Galeristin muss ich viele Künstler und viele Konzepte kennenlernen. Die Arbeit mit Joy war wunderbar, Auch die Resonanz war gut, es wurden 18 Aktien verkauft. Als Galeristin bin ich Kauffrau, aber als Künstlerin denke ich immateriell. Ich überrede die Besucher in meiner Galerie nicht, etwas zu kaufen. Ich dachte anfangs, ich könnte als Galeristin von dem Konzept lernen. Jedoch habe ich nur gelernt, dass ich nicht dazu passe. Als Künstlerin kann ich das Konzept nicht akzeptieren. Da es ein documenta-Projekt war, war es gut für mich, meine Galerie und meinen Namen. Bei der Performance mit Joy (Floating Futures: Flussperfomance auf der Fulda) konnte ich selbst viel lernen. Es ist mir wichtig, dass ich mich selbst bei jeder Ausstellung weiterentwickle, denn ich lerne immer noch. Ich male seit 14 Jahren und jedes Bild ist ein Neuexperiment für mich.“

Kommen während der documenta viele Besucher in deine Galerie?

„Es kommen weitaus weniger Menschen als vorher. Die kleinen Galerien leiden. Das Kulturamt sollte die privaten Galerien mehr fördern.“

Die Violett Kunstgalerie befindet sich in der Wilhelmshöher Allee 63. Neben der Präsentation von Arya Attis eigenen Werken finden hier regelmäßig Ausstellungen statt.

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